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Freitag, 30. März 2018

Rezension: Herr Kato spielt Familie




Preis: 20,00 € [A] (gebunden)
ISBN: 978-3-8031-3292-5





Endlich Zeit. Er könnte nun das alte Radio reparieren oder die Plattensammlung ordnen. Doch als er der jungen Mie begegnet, die ihm ein seltsames Angebot macht, beginnt er die Dinge anders zu sehen. Ein zarter Roman über einen späten Neuanfang und über das Glück.
Die Tage dehnen sich, und zugleich schnurrt die Zeit zusammen. Die Uhr läuft ab, dabei könnte es gerade erst losgehen. Ob ein kleiner weißer Spitz daran etwas ändern würde?
Den ehemaligen Kollegen hat er immer beneidet. Um den Ruhestand, das Motorrad und die neue Freiheit. Doch jetzt steht er selbst frisch verrentet auf den bemoosten Treppen vor seinem Haus und weiß nicht wohin. Eine Krawatte braucht er nicht mehr, zu Hause ist er im Weg, die Kinder sind längst ausgezogen. Ob die junge Frau, die er jüngst auf dem Friedhof getroffen hat, ihm nur etwas vormacht, vermag er nicht zu sagen. Er ist aus der Übung. Und dennoch nimmt er ihren Vorschlag an, lässt sich von ihrer Agentur »Happy family« mal als Opa, mal als Exmann, dann wieder als Vorgesetzter engagieren und trifft auf fremde Menschen und Schicksale. Er spielt seine Rollen gut, und seine Frau bekommt von alledem nichts mit. Sie hat wieder angefangen zu tanzen …
Rezension
Ein Buch, zu dem ich normalerweise nicht greifen würde. Und doch bin ich froh, dass ich es in die Finger bekommen und es gelesen habe.

Die Hauptfigur, ein Pensionist, der sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, um seiner Familie ein schönes Leben zu bieten, an dem er aber genau deswegen nicht teilnehmen konnte. Jetzt, im Ruhestand, merkt er, wie wenig er dazugehört. Mit schnellem Gehen will er beweisen, dass er noch nicht zu alt ist, kommt dabei aber ins Schwitzen, was ihm natürlich peinlich ist. Er ist unzufrieden, eigentlich ja nicht nur das, sondern mit nichts zufrieden - regt sich über die zugenähten Taschen seiner Hose auf, als seine Frau sie auftrennen will, passt es ihm auch nicht und er meint, das könne doch später auch gemacht werden. Aber dann, als Mie da ist und ihm anbietet, ein Stand-In zu werden, wobei er für ein paar Stunden auf Auftrag eine Person darstellen soll, blüht er auf. Nein, er blüht nicht im wahren Leben auf, sondern in seinen drei Rollen, die er verkörpern wird.

Obwohl der Herr Kato, dessen wirklicher Name eigentlich nicht Herr Kato ist, ein Charakter ist, den ich eigentlich absolut nicht leiden könnte, verpackt die Autorin ihn schon wieder so, dass man etwas Mitleid mit ihm haben muss. Sie verpasst ihm etwas Komisches, das ihn mit all seinem Jammern sympathisch macht. Die Geschichte spielt zwar in Japan, man könnte sie aber genauso gut nach Österreich versetzen und somit das Klischee des jammernden Österreicher erfüllen (und vielleicht ist es ja sogar Absicht, dass sie in einem anderen Land spielt, damit niemand sagen kann, dass dieses Klischee vorhanden ist).
Was auf jeden Fall auffällt, ist, dass Herr Kato immer nur für den Job und die Familie gelebt hat. So wirklich kennt er keine Menschen, die außerhalb dieser Felder sind. Die Kollegen hat er als seine Freunde bezeichnet, aber sobald man sie nicht mehr gezwungenermaßen jeden Wochentag sehen muss, meldet man sich auch nicht mehr bei ihnen. Und genau das wird der Grund sein, weshalb er im Spielen anderer Personen so aufblüht: Er kann sein Leben, seine Identität für ein paar Stunden austauschen und kann sich komplett neu erfinden. Bezüglich des nicht genannten Namens kann ich nur interpretieren, dass er ohne Namen theoretisch nicht an eine Identität gebunden ist. Und die fehlenden Namen der Familie sind dann ja auch unwichtig, weil es sie ohne ihn auch nicht gebunden würde. (Ich habe keine Ahnung, ob das irgendwie nachvollziehbar ist.)

Der Text ist im Präsens verfasst und wechselt immer wieder von direkten in indirekte Reden, außerdem sind einige Sätze unvollständig, wie es umgangssprachlich manchmal passiert, also muss man sich den Sinn des Satzes aus den vorigen zusammenreimen. Insgesamt wirkt der Schreibstil so, als würde der Erzähler - ich würde sogar vermuten, dass Herr Kato selbst in der dritten Person von sich erzählt - die Geschehnisse mündlich nacherzählen. Vielleicht macht genau das aus, dass es schnell, flüssig und leicht zu lesen ist. Die Stellen im Buch sind nicht langwierig oder ziehen sich in die Länge, in diesem Roman passt die erzählte Zeit und Erzählzeit gut zusammen.

Schlussendlich hat mir das Buch gut gefallen, es war nicht langatmig und das Thema ist meiner Meinung nach ansprechend, immerhin betrifft das Alter jeden von uns und möglicherweise ist es manchen sogar eine Lehre, das Leben mehr zu nutzen. Das Ende aber fand ich ein wenig unbefriedigend; zwar war es nicht schlecht, aber mich konnte es nicht so ganz überzeugen.

Bewertung: 3,5/5

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